Ein Fragment eines Buches, das die Ansichten antiker Priester von Oronyx über die Kräfte der Titanen wiedergibt.
Die Welt aus den Augen von Oronyx
Die folgenden Worte stammen angeblich aus der Antike, und zwar aus einer Rede von Robita, einem Priester von Oronyx, gehalten während seiner Reise durch Okhema. Das genaue Datum ist nicht mehr bekannt und es ist möglich, dass spätere Generationen sie ausgeschmückt haben. Robitas theologische Ansichten wurden im Laufe der Zeit sowohl gepriesen als auch kritisiert. Die Leser sollten seine Aussagen daher mit einer gesunden Portion Skepsis betrachten. – Anmerkung des Herausgebers
(Der vorherige Text ist verloren gegangen.)
Es wird oft behauptet, dass die Priester von Oronyx, solange Oronyx es will, sowohl die Vergangenheit als auch die Zukunft sehen können – eine Ansicht, die von vielen alten und neuen Gelehrten geteilt wird. Leider beruht diese Vorstellung auf einem Missverständnis über die Titanen.
Die Titanen mögen mächtig sein, aber nicht allmächtig. Die Wunder von Oronyx bestehen nicht darin, die Vergangenheit und Zukunft direkt zu „sehen“, sondern diese zu „erschließen“. Dieser kleine, aber wichtige Unterschied sollte nicht unterschätzt werden. Wenn Oronyx wirklich bereit dazu wäre, uns das tägliche Wetter (oder besser gesagt, Aquilas Launen) vorauszusagen, dann wäre es durchaus möglich, dass auch sie sich irrt.
Manche mögen sagen: Wenn Janus’ Prophezeiungen unzählige Wege eröffnen, aus denen die Menschen wählen können, sollte Oronyx doch dasselbe tun? Teilweise stimmt das ... Oronyx und Janus teilen viele göttliche Merkmale, doch beide haben nichts mit einer „direkten Interaktion mit der Vergangenheit“ zu tun.
Oronyx und Janus ermöglichen den Priestern nicht, die Realität zu sehen oder mit ihr direkt zu interagieren. Stattdessen erleben sie etwas, das der tatsächlichen Realität sehr ähnlich ist. Ein besseres Verständnis lässt sich über Janus erlangen: Wenn wir die „Geschichte“ eines Ereignisses wählen können, zeigt sich, dass Geschichte aus ihrer Sicht nicht festgelegt ist – vielmehr ist sie der Grund, warum etwas „existiert oder verschwindet“. Das steht im Gegensatz zur verbreiteten Ansicht, dass „Geschichte die einzige, unveränderliche Vergangenheit“ ist. Die Priester von Janus verändern also nicht die Geschichte, sondern wählen einen bestimmten Kontext oder eine „Momentaufnahme dessen, was bis heute existiert“. Was die Titanen uns erlauben zu verändern, ist immer noch die Realität selbst – nicht die bereits vergangene Zeit. Was wir sehen, ist der Prozess, der die „Veränderung der Realität“ nachvollziehbar macht. Auch wenn es so scheint, als ob die Zeit zurückläuft, handelt es sich um eine völlig andere Logik.
Wenn man das versteht, werden Oronyx’ Offenbarungen (oder Träume) klarer: Der Grund, warum sie uns nicht das Wetter für morgen verrät (obwohl sie theoretisch Aquila leicht danach fragen könnte), und warum sie die Lebensdauer und den Tod der meisten Menschen nicht vorhersagt, liegt in den gleichen göttlichen Beschränkungen, die auch Janus betreffen. Oronyx kann solche unsicheren Dinge einfach nicht vorhersagen. Was Oronyx uns zeigt, sind immer Prophezeiungen, von denen sie sicher weiß, dass sie bereits passiert sind. (Oder „mit Sicherheit noch geschehen werden“; für Oronyx ist Zeit nahezu bedeutungslos.) Kein Seher würde jemals eine Prophezeiung abgeben, bei der er sich nicht sicher ist.
Wenn ihr also an meine Expertise als Priester von Oronyx glaubt, dann erkennt bitte, dass wir die göttliche Macht von Oronyx bis zum Äußersten ausgereizt haben. Aus einer frevelhaften Perspektive könnte man sogar sagen, wir haben Oronyx in Gefangenschaft gehalten – ihr keine anderen Aufgaben zugemutet und sie nur auf die Erforschung von Vergangenheit und Zukunft fokussiert ... Doch was ist das Ergebnis? Wenn Oronyx nicht in der richtigen Stimmung ist (meiner Meinung nach heißt das, sie hat das nötige Vertrauen nicht), wird sie keine Offenbarung über die Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft geben (in Wahrheit ist sie auch nicht dazu in der Lage).
Ihr solltet euch bewusst sein, dass selbst die enorme Kraft der Titanen ihre Grenzen hat.