Sammlung von Volksliedern der Borisin
Eine Sammlung von Borisin-Volksliedern, kommentiert und bearbeitet von der Abteilung für Kulturanthropologie der Großen Tugendakademie.

Teil 1

An die ehrwürdigen Zehn Fürsten,

mein Name ist Dr. Zongguang. Ich bin Kulturanthropologe an der angesehenen Großen Tugendakademie der Luofu.

Zusammen mit einem Team von sechsundzwanzig talentierten Forschern, darunter auch viele Kollegen und Studenten, begaben wir uns auf eine Forschungsreise, um die kulturellen Phänomene der Borisin-Stämme und ihre Jagdrituale zu untersuchen. Auf unserer Reise durchkämmten wir Schlachtfelder auf der Suche nach Kriegsrelikten, befragten freigelassene Sklaven nach ihren Erinnerungen und infiltrierten sogar Borisin-Siedlungen unter dem Deckmantel einer Handelsmission der IFK.

Im Laufe unserer mühseligen Recherchen und Untersuchungen verloren wir drei unserer Kollegen, darunter meinen geschätzten Mentor.

Nach mehr als sechs Jahrzehnten intensiver Forschung und unermüdlichen Einsatzes präsentieren wir nun stolz diesen Band mit dem Titel „Sammlung von Volksliedern der Borisin“. Diese Seiten enthalten eine umfassende Sammlung von zweihunderteinundfünfzig mündlich überlieferten Epen und Balladen der Borisin, die als wertvolle Informationsquelle dienen.

Dr. Zongguang, Anthropologe an der angesehenen Großen Tugendakademie der Luofu

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27. Durans Geburt[1]

Auf die Borisin, einst schwach, warteten neue Mühen.
Doch jeder kämpft ums Überleben, niemand kann sich ausruhen.[2]
Dann kam das gewaltige Grollen und der Regen.
Und siehe da, aus dem Himmel ein Segen.
Der Oberschamane sich in tiefer Verehrung verneigt.
Die göttliche Bestie, die Unsterblichkeit, der Boden geweiht.[3]
Zweiundsiebzig Tage vergingen, das Oberhaupt wurde geboren. Ein Kind, mächtig und wild, zu Großem erkoren.[4]
Duran, unser erster Kriegshäuptling, mit ungezähmter Kraft.
Geboren wie eine Bestie, verkündet seine Macht.

Fußnote:
[1] Dieses Volkslied ist für die Rituale der Borisin von großer Bedeutung. Die Borisin haben ein verzerrtes Verständnis und eine eigene Interpretation der Konzepte, die der Schöpfer der Plagen repräsentiert. Anstatt den Schöpfer der Plagen zu verehren, nutzte der erste Kriegshäuptling Duran geschickt dessen Kult, um die Identität der Borisin zu festigen.

[2] Aktuelle archäologische Ausgrabungen haben bestätigt, dass diese Zeilen der Realität entsprechen. Während der Zeit vor der Erlangung der Langlebigkeit machten die Borisin aufgrund ihrer unwirtlichen Heimatwelt nur langsam Fortschritte.

[3] In der Geschichte finden sich keine konkreten Beweise für diese Katastrophe. Bestimmte historische Quellen legen nahe, dass der Autor dieser Lieder diese Legende erfunden hat, um die Legitimität von Durans Herrschaft zu untermauern.

[4] Das Motiv eines Kindes, das nur wenige Tage nach der Empfängnis geboren wird, ist ein wiederkehrendes Heldenmotiv in den Liedern der Borisin und hat sich als rhetorisches Mittel etabliert. Den Liedern zufolge haben fast alle Kriegshäuptlinge nur wenige Tage im Mutterleib verbracht.

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28. Durans Pilgerreise zum Meister der Unsterblichkeit[1]

Duran beschreitet den dornigen Weg, sucht die Unsterblichkeit.
Feinde bezwingt er, befreit uns endlich vom Schmerz.[2]
Aber der Meister der Unsterblichkeit, er bevorzugt die Kraft.[3]
Die Foxianer bewachen den Baum, seinen Segen, seine Macht.[4]
Um die Borisin zu segnen, wird Taowu die Bestie herbefohlen.
Durans Mission: den göttlichen Tau vom Baum zu holen. Tausende von Foxianern fallen wie in einem schlimmen Traum.[5]
Doch dieses Blutvergießen ebnet den Weg zum göttlichen Baum.
Er beansprucht den göttlichen Tau, die heilige Belohnung.
Dann fragt er den Meister: „Erhalten meine Gefährten die gleiche Hoffnung?“
Der Meister willigt ein, alle bekommen den Segen.[6]
Die Foxianer sind nun Diener, Duran ist ihnen überlegen.[7]
Die Borisin erhielten ein göttliches Geschenk, unglaubliche Macht. Zum Dank für ihre Taten der Galaxien Herrschaft.[8]

Fußnote:
[1] Obwohl dieses Volkslied einen wichtigen Platz im kollektiven Gedächtnis der Borisin einnimmt, ist seine historische Genauigkeit fragwürdig. Es schildert mehrere wichtige Ereignisse in der Geschichte der Borisin, allerdings mit einem starken Hang zur Übertreibung.

[2] Die bisherigen historischen und archäologischen Beweise deuten darauf hin, dass der unerwartete Aufstieg der Borisin auf die willkürliche Ausweitung der Katastrophe durch den Schöpfer der Plagen zurückzuführen ist. Wenn man den zivilisatorischen Entwicklungsstand der Borisin zu dieser Zeit bedenkt, ist es unwahrscheinlich, dass sie den Kontakt mit dem Äon initiiert haben.

[3] Selbst für den Schöpfer der Plagen wäre diese Aussage eine äußerst diffamierende Bemerkung. Es ist offensichtlich, dass die Borisin das Konzept des „Überflusses“ anhand ihrer eigenen kulturellen Normen und Werte interpretieren.

[4] In diesem Volkslied wird eine Geschichte erfunden, in der der „Meister der Unsterblichkeit den Foxianern befiehlt, die Entschlossenheit der Borisin auf die Probe zu stellen“, und mit diesem fiktiven Mythos eine angebliche Rechtfertigung für die Versklavung der Foxianer durch die Borisin liefert.

[5] Anhand aktueller archäologischer Beweise geht man davon aus, dass die Borisin, nachdem sie ihre Langlebigkeit erlangt hatten, erst nach mindestens zwei Bernsteinzeitaltern die Bestienschiffe bauen konnten, die sie auch heute benutzen. Die Erwähnung von „Taowu“ sollte in diesem Zusammenhang als Fiktion verstanden werden. Schließlich wäre es für ihren Kriegshäuptling Duran unmöglich, zum Äon zu pilgern, ohne interstellare Reisen unternehmen zu können.

[6] Dieser Teil ist faszinierend. Der Geschichte zufolge hatte der Schöpfer der Plagen zunächst nicht die Absicht, allen Borisin die Unsterblichkeit zu verleihen. Es war der Kriegshäuptling, der für sein ganzes Volk um diesen Segen bat. Das bestätigt auch die Behauptung des Autors im Kommentar zu den 27 Volksliedern, wonach „der erste Kriegshäuptling, Duran, anstatt ‚den Schöpfer der Plagen zu verehren‘, dessen Kult geschickt nutzte, um ‚die Identität der Borisin zu festigen‘.“

[7] Dieser Absatz zielt einzig und allein darauf ab, die Versklavung der Foxianer durch die Borisin zu legitimieren.

[8] Auch dieser Absatz soll die Plünderungen der Borisin und ihre Überfälle auf andere Zivilisationen legitimieren.

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