„Wie ich zum Pfad zurückfand“ – Vorwort
Das Vorwort des Gelehrten Zongguang von der Luofu für ein Manuskript, das er für einen guten Freund zusammengestellt hat ... Dieser entpuppte sich später jedoch als ein Borisin.

„Wie ich zum Pfad zurückfand“ – Vorwort

Nach einem 30-jährigen Disput und zahlreichen Kontroversen wurde die posthume Autobiografie meiner besten Freundin Yewliho, „Wie ich zum Pfad zurückfand“, endlich veröffentlicht. Ich freue mich so für sie.

Dabei nehme ich an, dass den meisten meiner Leser sowohl der Name Yewliho als auch der Titel „Wie ich zum Pfad zurückfand“ noch kein Begriff ist. Ich nehme mir daher heraus, in diesem Vorwort ein wenig aus ihrem Leben zu erzählen.

Yewliho wurde im Jahr 7992 in eine Familie von Bestienschiffsführern des Rudels Schlächter hineingeboren. Mit seiner gewaltigen Flotte aus Bestienschiffen versetzte das Rudel Schlächter das gesamte Universum in Angst und Schrecken. In einer Gesellschaft wie die der Borisin, wo Stärke als höchste Tugend gilt, genießen Bestienschiffsführer dieser Generation wie Huerittho selbstredend ein hohes Maß an Ansehen und Einfluss.

Im Jahr 8023 befehligte Yewliho, selbst erst 31 Jahre alt, bereits ihre persönliche Bestienflotte, die „Preta“. Sie hatte schon dutzende Raubzüge selbstständig geplant und erfolgreich durchgeführt.

Für die Xianzhou-Piloten dieser Zeit war Yewliho ein Fleisch gewordener Albtraum. Mit ihren gewieften Plänen und furchtlosen Angriffen hatte sie sich schnell einen Namen gemacht. Es lässt sich behaupten, dass ihre Flotte die brutalste und effizienteste ihrer Zeit war.

Es dauerte nicht lange, bis Yewlihos viele militärischen Errungenschaften ihr einen hohen Rang innerhalb des Rudels einbrachten. Im Jahr 8025 vermählte sie sich mit Hosing Khan, dem Anführer des Rudels Schlächter.

Da der Partner des Rudelführers gemäß den Traditionen der Borisin an der Spitze aller Amtsträger stand, war Yewliho nun auf einen Schlag zur zweitmächtigsten Figur des Rudels Schlächter geworden.

Im Jahr 8032 brachte Yewliho ein Kind zur Welt und gab ihm den Namen „Cherluwoo“. Wäre alles wie geplant verlaufen, wäre Cherluwoo der nächste Anführer des Rudels Schlächter gewesen.

Allerdings kam es in Cherluwoos fünftem Lebensjahr zu einer unerwarteten Entwicklung.

Vor seiner Geburt hatte Hosing Khan, damals bereits über 400 Jahre alt, keinen Erben gezeugt. Somit wäre der Titel des Khans gemäß der geltenden Erbfolge an den nächsten „Erben Durans“ übergegangen ... An Hosing Khans Neffen, Kobo.

Doch die Geburt von Cherluwoo hatte dessen Pläne zunichtegemacht. Kobo hatte sich schon sein ganzes Leben lang darauf vorbereitet, das Khanat zu übernehmen. Um seine Autorität wiederherzustellen, griff er mit 3.000 ihm treuen Bestienschiffen das Schiff des Rudelführers an.

Bevor Hosing Khan darauf reagieren konnte, wurde er von seinen Leibwächtern ermordet. Kobo hatte sie bestochen. Als Nächstes hatte er es natürlich auf Yewliho und ihren Sohn abgesehen.

Zu ihrem Glück war Yewlihos persönliche Flotte, die Preta, ihr immer noch treu. Zwar war sie nur 300 Schiffe stark, aber diese 300 waren bemannt von treuen Verbündeten, die sie schon seit vielen Jahren auf ihren Raubzügen begleitet hatten.

Obwohl sie von Kobo umzingelt wurde, gelang Yewliho mit ihrer Flotte die Flucht. Doch ihre Verfolger fielen weiterhin wie Heuschrecken über sie her, und auf Dauer konnten ihre 300 Schiffe der weit größeren Flotte nicht entkommen.

Der Thronräuber gab die Jagd jedoch nach kurzer Zeit auf und kehrte zum Rudel Schlächter zurück, um sich dort als „Kobo Khan“ krönen zu lassen. Yewliho hat nie erzählt, wie sie ihren grausamen Jägern letztendlich entkommen konnte. Wir wissen nur, dass ihr Kind Cherluwoo bei der Flucht ums Leben kam.

Im Jahr 8038 führte Yewliho die Preta, jetzt nur noch 127 Personen stark, auf die Fanghu. Dort wollte sie sich der Allianz unterwerfen und ihr die Treue schwören.

Nach zweijährigen Verhandlungen beschloss die Allianz schließlich, diesen Borisin ihre Verbrechen zu vergeben und ihnen zu erlauben, unter strenger Beobachtung auf der Fanghu zu leben. Voraussetzung dafür war, dass sie sich an der Borisin-Forschung der Allianz beteiligten und sämtliche Geheimnisse der Bestienschiff-Technologie preisgaben.

Das war auch die Zeit, in der ich Yewlihos Bekanntschaft machte. Als zuständiger Kulturanthropologe wurde ich beordert, mich mit diesen 127 Borisin zu unterhalten, um einen besseren Einblick in die Kultur der Borisin zu erhalten.

Im Zuge meiner Tätigkeiten entwickelte sich auch eine Freundschaft zwischen Yewliho und mir. Sie war eine tapfere Kriegerin, intelligent und offen. Es gelang ihr, die komplexe, chaotische Gesellschaft der Borisin und deren Denkweise auf für mich verständliche Weise zusammenzufassen.

Yewliho hegte stets die Hoffnung, mit ihrer Preta irgendwann für die Allianz kämpfen zu dürfen – vermutlich wegen ihres tiefen Hasses auf Kobo. Allerdings war es unwahrscheinlich, dass einem solchen Ersuchen jemals stattgegeben würde.

Yewliho bat immer wieder darum, wurde aber jedes Mal aufs Neue abgewiesen ... Nach 30 Jahren konnten sie diese Schmach nicht mehr ertragen und wandte sich an mich um Rat.

Ich schlug vor, sie solle einen ausführlichen Brief verfassen, der ihr bisheriges Leben und Tun im Detail schilderte. So könnte sie den sieben himmlischen Generäle des Herrscherbogens erklären, wie groß ihr Hass auf ihre Gegner war und wie innig ihr Wunsch, für die Allianz zu kämpfen. Täte sie dies, würde ich auch meine Hand für sie ins Feuer legen.

Zwei Jahre später schrieb sie „Wie ich zum Pfad zurückfand“.

Vielleicht war all das nur ein grausamer Scherz des Schicksals ... Nicht lange, nachdem sie diesen Brief verfasst hat, brach im Jahr 8072 der Dritte Krieg der Wesen des Überflusses aus.

Dabei war die Fanghu selbst das zentrale Schlachtfeld dieses Konflikts und versank schon bald in einem Meer aus Blut. In dieser verhängnisvollen Lage gab es niemanden mehr, der sich um Yewliho kümmern konnte ... Also führte sie, auch ohne die Erlaubnis der Allianz, die Preta in ihre letzte Schlacht.

Wir haben nie erfahren, wie viele Ausgeburten des Überflusses die Preta töten konnte. Was wir allerdings wissen, ist, dass es ihnen gelungen war, mindestens 4.000 Zivilisten in Sicherheit zu bringen, bevor der Lux-Pfeil einschlug.

Und dass dabei alle 127 Krieger der Borisin, darunter auch Yewliho, ihr Ende fanden.

Da es sich bei Yewlihos Identität um ein heikles Thema hielt und ihre früheren Verbrechen nicht geleugnet werden konnten, lag ihre Geschichte bis heute im Verborgenen begraben. Deshalb wurde „Wie ich zum Pfad zurückfand“ niemals veröffentlicht.

In der Hoffnung, dass meine Leser dieses Buch doch irgendwann in ihren Regalen finden könnten, habe ich mich jahrelang für die Veröffentlichung von „Wie ich zum Pfad zurückfand“ eingesetzt – und heute ist dieses Ziel erreicht.

Um ehrlich zu sein, interessiere ich mich kaum dafür, ob dieses Werk von akademischer Bedeutung ist. Es geht mir nur um ein eigennütziges Verlangen: Ich wollte euch allen die Geschichte meiner Freundin Yewliho erzählen ...

Sie war eine Ausgeburt des Überflusses, vor Bosheit triefend. Eine gierige Diebin, eine Sünderin mit Blut an ihren Händen.
Sie war eine Bewohnerin von Xianzhou, die niemals die Anerkennung bekam, die ihr zustand. Eine tapfere Kriegerin und eine Mutter, gepeinigt von Kummer und Zorn.

Doktor für Kulturanthropologie an der Großen Tugendakademie der Luofu
Zongguang