Das Tagebuch des Dichters Lipos. Darin berichtet Lipos von den zahlreichen Erlebnissen auf seiner Reise nach Okhema, nachdem seine Heimatstadt zerstört worden war.
Ein altes Tagebuch
Jahr 4928 des Lichtkalenders, Monat des Zwists, Tag 21
Ich bin Lipos aus der Stadt Jericha. Die Schwarze Flut hat gestern Nacht unsere Stadt umschlossen.
Sie war überschwemmt von Dunkelheit und furchtbaren Ungeheuern ... Schreie und Feuer überall. Ich habe noch nie in meinem Leben so viel Blut gesehen ... So viele sind tot ...
Paris hat mich aus der Stadt gebracht, aber Vater, Mutter und meine ältere Schwester ... Nein, Lipos. Du musst stark sein, du darfst nicht mehr weinen ...
Wir sind jetzt so weit weg von der Stadt. Ich bin so müde ... Ich vermisse warme Mahlzeiten und mein weiches Bett ... Aber das wird schon. Ich halte es aus. Ich schaffe das.
Immerhin habe ich es meiner Schwester geschworen ... Sie wollte, dass ich lebe und für sie all das aufzeichne, was ich außerhalb Jerichas sehe.
Obwohl sie dieses Tagebuch niemals lesen wird ... Aber ich bin ein großer Junge! Ich werde mein Versprechen halten!
(Einige Seiten wurden übersprungen.)
Jahr 4928 des Lichtkalenders, Monat der Trauer, Tag 13
Paris hat mich verlassen. Wie erwartet.
Ich weiß, dass ich ihm während der gesamten Reise nur zur Last gefallen bin ... Paris hat sich seit meiner Geburt um mich gekümmert, aber jetzt ist alles anders ... Er muss auch erschöpft sein. Und die Schwarze Flut ist so unheimlich, Paris muss sich ebenfalls fürchten ... also kann ich ihm keine Vorwürfe machen!
Ich ... Ich bin nur ein wenig traurig, mehr nicht. Wirklich, nur ein ganz klein wenig!
Eigentlich habe ich ja großes Glück! Herr Hesiod ist wirklich, wirklich, wirklich nett. Er hat mich nicht nur gerettet, sondern mir auch Essen und Unterkunft gegeben!
Außerdem ist er ein fantastischer Dichter. Seine Lieder klingen wunderschön und seine Geschichten sind entzückend. Ich weiß, es ist nicht dasselbe, aber wenn er singt, erinnert mich das an meine Mutter, wie sie meiner Schwester und mir Schlaflieder vorgesungen hat ...
(Einige Seiten wurden übersprungen.)
Jahr 4928 des Lichtkalenders, Monat der Trauer, Tag 27
Herr Hesiod ist wirklich beliebt. Alle bewundern ihn.
Es ist fast so, als läge Magie in seiner Stimme verborgen. Ganz egal wie erschöpft oder hungrig die Leute sind, sobald sie eines von Herrn Hesiods Liedern hören, sind sie gleich ganz heiter.
Aber mich mag Herr Hesiod bestimmt am liebsten! Das hat er gestern beim Abendessen gesagt! Solange ich noch mehr Gedichte und Lieder lerne, wird er mich zu seinem Schüler machen!
Aber ... Dabei weiß er gar nicht, dass ich nicht nur seine Melodien einstudiert habe, sondern auch schon meine eigenen Gedichte schreibe!
Mein erstes Gedicht heißt Die letzte Veranda. Dabei geht es darum, wie alle zusammenarbeiten und schwere Zeiten überstehen, bis sie endlich Okhema erreichen! Es ist nicht sonderlich gut, aber ich habe es nur für Herrn Hesiod geschrieben.
Wenn ich erst mal in Okhema bin, muss ich mir keine Sorgen mehr wegen der Schwarzen Flut oder dieser Monster machen. Dann wird Lipos dieses Gedicht Herrn Hesiod übergeben. Nein, Meister Hesiod!
(Einige Seiten wurden übersprungen.)
Jahr 4928 des Lichtkalenders, Monat des Glücks, Tag 3
... Alle ... Sie sind alle ... So wie damals in Jericha ...
Warum ... Warum hast du mich gerettet? Warum bist du nicht davongelaufen wie Paris?
Es tut mir so leid. Das ist alles meine Schuld. Es tut mir leid, Herr Hesiod ... Wäre ich doch nur etwas nützlicher ... Es tut mir so leid, Meister Hesiod ...Es tut mir so leid so leid so leid so leid so leid!
(Einige Seiten wurden übersprungen.)
Jahr 4928 des Lichtkalenders, Monat des Glücks, Tag 13
Das ist Okhema? Kein Wunder, dass sie es „Amphoreus’ letzten Hafen“ nennen.
Keine Sorge, Meister. Ich werde deine Lyra nehmen und für alle hier deine Gedichte singen ...