Jenseits des Schleiers
Die Notizen des Gelehrten Flethusius aus dem Venerationismus, in denen er seine Beobachtungen von dem Vorhang der Ewignacht festhält. Laut späteren Untersuchungen handelt es sich hierbei um sein letztes Werk vor seinem Verschwinden.

Jenseits des Schleiers

Notizen von Flethusius, Venerationisten, Jahr 3749 nach Lichtkalender

Notizen
Ich muss alles aufschreiben. Mein Denken beginnt sich zu verwirren, und meine Erinnerungen sind lückenhaft. Aber diese Entdeckungen sind zu wichtig, sie könnten die Wahrheit hinter dem Vorhang von Oronyx enthüllen. Ich werde versuchen, diese Notizen mit meiner letzten Vernunft zu ordnen.

Vorbereitung des Rituals
Als Venerationisten haben wir verschiedene Rituale studiert, die der Kommunikation mit den Titanen dienen. Aber ich möchte einen Schritt weiter gehen – nicht nur Kommunikation, sondern direkte Beobachtung. Wie groß ist eigentlich der Vorhang der Ewignacht von Oronyx, und was befindet sich hinter dem Vorhang? Ist es das göttliche Reich der Titanen? Vielleicht können wir mit der richtigen Methode einen Blick auf das Geheimnis dahinter werfen.

Nach Jahren der Forschung habe ich einige Schlüsselfaktoren gefunden:
1. Sphäre – Die Sphäre von Oronyx enthält eine bestimmte Kraft.
2. Eine bestimmte Anordnung der Himmelskörper.
3. Alte Zaubersprüche, die mit der richtigen Tonlage gesungen werden müssen.

Erster Versuch (Jahr 3749 nach Lichtkalender, Monat des Glücks)
Die heutige Konstellation passt perfekt. Nachdem ich das Reinigungsritual in der Kammer der reinigenden Tränen abgeschlossen hatte, begann ich meinen ersten Versuch.
Ich legte die Sphäre auf meine Stirn und begann zu singen. Zunächst passierte nichts, aber nach dem siebten Singen des Zaubers spürte ich etwas Ungewöhnliches. Der Vorhang schien zu flimmern, wie Wellen auf der Wasseroberfläche. Doch noch seltsamer war, dass das Sternenlicht zu verzerren begann und unverständliche Muster bildete.
(Hier sind Tintenflecken, als ob die Tinte in Eile verschüttet wurde.)

...

Dritter Versuch (Zeit unbekannt)
(Die Aufzeichnungen zum zweiten Versuch fehlen anscheinend.)
Ich glaube, ich habe etwas gesehen. Irgendetwas floss durch den Riss im Vorhang. Es schien kein Sternenlicht zu sein. Ist das Äther? Etwas noch Fundamentaleres. Es sah aus wie ... wie ... ich finde keine Worte, um es zu beschreiben. Jedes Mal, wenn ich versuchte, es zu beschreiben, zerfielen die Worte auf meiner Zunge.
Ein interessante Entdeckung: Wenn ich diese fließende Materie anstarrte, schien mein Denken auch zu fließen. Die Grenze zwischen Vergangenheit und Gegenwart verschwamm. Ich sah Gespräche, die noch nicht stattgefunden hatten, und hörte Stimmen, die längst verstummt waren.
Warnung: Versuche nicht, diese Visionen in Worte zu fassen. Jedes Mal, wenn ich es versuche, werden die Worte –

...

(Datum unerkennbar)
Heute gab es einen Unfall beim Experiment. Als ich die drei Sphären gleichzeitig aktivierte, zersprangen sie und eine gewaltige Explosion zerstörte das Labor vollständig. Was bedeutet das? Hat Oronyx göttliche Strafe über mich gebracht? Liegt es daran, dass Oronyx mich beobachtete und dachte, mein Experiment habe die Grenzen der Sterblichen überschritten? Oder war es mein Ritual, das fehlerhaft war, und deshalb die Explosion verursachte?

Mein Kopf begann zu schmerzen. Meine Erinnerungen wurden bruchstückhaft. Ich wollte meine Manuskripte neu ordnen, ich erinnere mich, dass ich Zahlen schrieb ... über die Bewegungen der Himmelskörper und etwas anderes ... aber jetzt sind nur noch Symbole auf dem Manuskript? Es sieht aus wie etwas, das man im Halbschlaf zeichnet. Was ist das?

(Datum unerkennbar)
Ich habe einen Fehler gemacht. Der Vorhang ist Oronyx’ heiliges Reich, und Sterbliche dürfen nicht in das heilige Gebiet der Titanen eindringen – was noch? Ich kann mich nicht erinnern, mein Kopf tut so weh.

Schluss
An ██████, ich glaube, diese Forschung kann nicht weitergeführt werden.
Wiederhole nicht meinen Fehler. Es gibt Grenzen, die nicht überschritten werden sollten. Jetzt verstehe ich, warum Oronyx den Vorhang der Ewignacht erschuf. Es ist die Grenze, die die Vernunft der Sterblichen von der göttlichen Macht der Titanen trennt.

Ich beginne, an meiner eigenen Existenz zu zweifeln. Ich frage mich, wer meine Hand eigentlich bewegt, während ich diese Worte schreibe. Wenn ich über diese Fragen nachdenke, wer ist es dann, der mein Denken antreibt? Wir glauben, das Schicksal zu beobachten, doch vielleicht sind wir die Beobachteten ... Es ist Oronyx, der uns, die lächerlichen Sterblichen, beobachtet!

(Die folgenden Seiten sind mit unlesbaren Symbolen und wirren Linien bedeckt. Gelegentlich lassen sich einzelne Begriffe erkennen:)
Oronyx beobachtet uns.
Sterbliche!
Kehrt zurück!
Die Macht der Titanen darf nicht erkundet werden. Sie ist unergründlich!
Ich bin nicht wirklich ... Wer bin ich? Was ist ...

(Auf der letzten Seite steht nur eine zittrige Zeile:)
Vergebt mir meine Anmaßung, Vorhang der Ewignacht ...

(Anmerkung: Dieses Manuskript wurde ursprünglich in einer verschlossenen Kammer der Bibliothek von Philia im Hain der Erleuchtung gefunden. Nach den Aufzeichnungen verschwand der Autor Flethusius, nachdem er diese Notizen fertiggestellt hatte. Manche behaupten, er sei zu einem Stern im Vorhang der Ewignacht geworden, andere meinen, man könne in den Tiefen der Bibliothek manchmal sein leises Flüstern hören.)