Anaxa

Der Hain der Erleuchtung, eine Wiege des Wissens, in der Philosophen heranwachsen.
Doch hier steht Anaxagoras, der Frevler, ein Erbe von Chrysos, der die Kernflamme der Vernunft infrage stellt: Würdest du wahrhaftig den schlechten Ruf auf dich nehmen, um die Prophezeiung zu brechen und die Zweige des Zweifels in den Heiligen Baum der Weisheit zu treiben?
„Lächerlich. Diese Welt ist voller Lügen – nur ich bin die Wahrheit.“

„Ah, du wurdest in einem abgelegenen Stadtstaat geboren. Deine Eltern sind früh verstorben, und deine ältere Schwester war fortan deine einzige Familie. Mit dem geringen Einkommen, das sie mit dem Zähmen von Tieren verdiente, konnte sie euch kaum über die Runden bringen.
Du warst seit deiner Kindheit zurückgezogen und isoliert. Während deine Altersgenossen auf den Wiesen herumtollten, hast du dich allein im Schatten der Bäume versteckt und gefallene Blätter vom Boden aufgesammelt.

‚Warum fliegen die Dromen nicht in den Himmel?‘
Du schautest auf die Dromen, die mit dir aufgewachsen sind, und murmeltest vor dich hin.
‚Vielleicht, weil diese Dromen in ihrem früheren Leben auch Streber waren!‘
Du hast diese Worte schon viel zu oft gehört, aber nie verstanden, warum sie als eine Art Spott verwendet werden.

‚Wenn die Götter allmächtig sind, warum fürchten sie dann den Tod?‘
In dem Tempel, in dem die heiligen Lehren rezitiert werden, werden die Dinge, die als unbestritten gelten, unweigerlich deine Zweifel wecken.
‚Raus, Anaxagoras!‘
Der wütende Priester wirft dich häufig aus dem Tempel.

Deine Schwester hat dir nie die Schuld gegeben. Stattdessen hat sie einen Teil ihres bescheidenen Einkommens dafür verwendet, Bücher und Werkzeuge zu kaufen, die du dir gewünscht hast.
Schrauben, schwere Zangen, Präzisionswaagen ... Zu Hause hast du an diesen Instrumenten herumgebastelt und hast dich völlig in der Welt des Schaffens verloren.
Als du fünf Jahre alt warst, warst du unendlich neugierig auf das Leben: Ein mechanischer Vogel, der von allein sang, ein Droma-Inkubator, künstliche Blumen, die ewig in voller Blüte standen. Du erklärtest dich selbst zum weisesten Menschen auf der Welt. Tss, tss. Wie selten werden die großen Angebereien eines Kindes von seiner Familie ernst genommen.

Später hörte sie von wandernden Händlern, dass es eine Akademie namens Hain der Erleuchtung gab, ein heiliger Ort, der dem Streben nach Weisheit gewidmet war. Du hast dir diesen Namen heimlich gemerkt und gedacht, dass das Leben nicht so schwer wäre, wenn du eines Tages mit deiner Schwester dorthin gehen könntest.
Noch später gelang es ihr schließlich, genug Reisegeld aufzutreiben, und sie bat einen befreundeten Händler, dich mitzunehmen, damit du an der Akademie des Hains studieren kannst.
Auf halbem Weg hast du gehört, dass die Schwarze Flut zugeschlagen hat und dich eilig auf den Rückweg gemacht. Der Anblick dieser verfallenen Ruine war wirklich unerträglich ... Selbst jemand, der so stolz ist wie du, konnte nicht anders, als auf den Boden zu knien. Du hast doch nicht zu den Göttern gebetet ...“

„Hör auf, in meinen Gedanken herumzuschnüffeln, du ungezogener Titan.“
Der Mann riss sich aus seinen Träumereien los. In seinem rechten Auge war ein Ausdruck von Wut oder vielleicht auch von Trauer zu sehen.

Nummer: 13
Thema: Experiment des goldenen Blutes der Erben von Chrysos
Material: Mein Blut
Aufzeichnungen: Nach der Reinigung der Flüssigkeit ähnelt sie flüssigem Gold und zeigt unter dem Mikroskop eine samenförmige Struktur. Bei der Blutentnahme dreimal in Ohnmacht gefallen.
...
Nummer: 55
Thema: Sezierung der Seele der Titanen-Schöpfungen
Material: Drei sterbende Titanen-Schöpfungen von ████████, Quecksilbertrank, Antila-Blütenextrakt
Aufzeichnungen: Das Versuchsobjekt wurde bei der Sezierung bis zum Kern plötzlich wahnsinnig. Glücklicherweise wurde nur ich schwer verletzt, sonst kam niemand zu Schaden. Im Folgenden wurden die Alchemiegeräte verfeinert. Das Stammbaumdiagramm der Seelen von ████████ steht kurz vor der Fertigstellung.
...
Nummer: 144
Thema: Versuch über die Metaphase der Seelenverschmelzung
Material: Eine von einem Gelehrten gestiftete Seelenflamme, Titanen-Schöpfungen
Aufzeichnungen: ████████, mein geschätzter Freund, gemäß deinem letzten Willen wurde dein Körper in eine Flamme verwandelt, die Bestrafung verbrennt, und deine Seele wurde zu einem Grundstein für die Analyse der Titanen!
...
*Unordentliche Notizen der letzten Seite*:
Dies ist nun schon einige Jahre her. Die Kälte des Todes verweilt noch immer in meinem linken Auge, aber ich kann die Seelen der Menschen sehen. Diese brennende Hitze ist genug, um die Leere zu füllen.

Vielleicht morgen, vielleicht nächstes Jahr oder vielleicht im nächsten Moment ...
Werde ich angeklagt und verhaftet werden. Es wird immer Menschen geben, die wollen, dass ich meinen Kopf senke und schweige.

Aber, liebe Schwester, ich werde mich immer daran erinnern, dass ich dich hier zum letzten Mal getroffen habe. Du hast nichts gesagt.
Aber das war genug. Ich weiß, dass ich das Richtige getan habe.
In den letzten zehn Jahren war es immer so ...
„Alle Fehltritte sind Schritte in Richtung Erfolg.“

– Anaxas Protokoll des Experiments zur Seelenlehre. Die Originalkopie wurde bereits vernichtet.

„Weisen des Hains:

Was die drei großen Sünden angeht, die mir einige Gelehrte vorwerfen, nämlich „akademische Diffamierung“, „Verderbnis der Jugend“ und „Verleugnung der Götter“, so habe ich weder die Absicht, auf ihre billigen Tricks einzugehen, noch werde ich mir die Mühe machen, mich zu verteidigen. Da ich jedoch davon ausgehe, dass dies jedem helfen könnte, meine Forschung besser zu verstehen, werde ich mich kurz erklären.

Ihrer Meinung nach habe ich die Sünde der akademischen Diffamierung begangen, als ich die klassische Forschung der Titanenstudien und der Seelenlehre öffentlich verunglimpft und sie als „Schwarze Flut der akademischen Welt“ bezeichnet habe. Da stellt sich die Frage: War meine Einschätzung falsch? Eine Studie darüber, ob Titanen auf einem Stecknadelkopf stehen können, und eine Studie, die behauptet, die Natur der Seele sei Wasser – sie bestehen bis zum heutigen Tag aufgrund bestimmter Autoritäten. Wie unterscheidet sich das von einer geistigen Schwarzen Flut?

Ich habe seit meiner Kindheit im Hain studiert und weiß genau, dass nur Kritik und Misstrauen eine Veränderung des Denkens erreichen können. Ich ermutige die Studenten, meine Autorität zu hinterfragen, und das ist es, was als „Verderbnis der Jugend“ bezeichnet wird. Beispielsweise Phainon und Castorice: Als sie ihr Studium begannen, wussten sie nicht, wie man denkt und was Logik ist. Wenn ich sie mir jetzt ansehe, bin ich manchmal sprachlos! Wenn es das ist, was es bedeutet, die Jugend zu „verderben“, dann kann ich mir nicht vorstellen, was sie als „korrekte Ausbildung“ ansehen.

Folglich beschuldigen mich einige Personen, zu enge Beziehungen zu den Erben von Chrysos der Flammenjagd zu haben, und behaupten, dass meine Theorien sie beim Erlangen der Kernflammen unterstützen. In der Tat habe ich Tribios einmal wegen der verlorenen Geschichte konsultiert, und meine beiden brillantesten Schüler sind zufällig auch Erben von Chrysos. Und was ist daran falsch?

Ich bin auch das, was man einen Erben von Chrysos nennt, aber ich habe noch nie blindlings an Prophezeiungen geglaubt. Wenn Götter wirklich die reinsten und ewigsten Wesen sein sollen, die über die Welt der Sterblichen aufgestiegen sind, dann hört gut zu: Die Welt hat nur einen Gott, und das ist die unzerstörbare Wahrheit!
Nur Anhänger der Wahrheit können diesen Weg weitergehen, und die Autoritäten, die sich selbst als Weisen rühmen, fürchten den Sturz der Götter.

Ihr habt vorgeschlagen, dass beide Seiten einen Schritt zurücktreten, um die Situation zu deeskalieren ... Ich bitte um Entschuldigung, aber das habe ich nicht vor. Im Gegenteil, ich möchte denjenigen, die mich beschuldigen wollen, einen Rat geben:

Die zukünftige Welt wird mich verstehen, und ihr alle, die ihr mich anklagt, solltet mehr Angst haben als ich, wenn ich mein Urteil erwarte!“

– Eine improvisierte Rede Anaxas während einer Versammlung der Weisen

„Auch heute noch bin ich mit dieser bizarren Flammenjagd nicht einverstanden. Es gibt jedoch eine Aussage, die einen tiefen Eindruck hinterlassen hat: Verluste sind auf der Flammenjagd eine Konstante.

Ich habe nie geglaubt, dass die Erben von Chrysos das gleiche Schicksal teilen, doch auch ich befinde mich zweifellos auf dem Weg der Verluste.
Dennoch habe ich nicht genug verloren ... Im Vergleich zu dem, was ich verfolge, habe ich nicht genug verloren, um das Gesetz des gleichwertigen Tauschs zu erfüllen.

Nachdem ich die Theorie aufgestellt hatte, dass sich die Seelen von Titanen und Menschen in ihrer Natur nicht unterscheiden und dass die Seelen aus Samen der Weisheit bestehen, habe ich auf eine Gelegenheit gewartet, dies ein für alle Mal zu beweisen ...
Nun hat sich die Gelegenheit ergeben! Sie kam ziemlich unerwartet, aber auch genau zur rechten Zeit.
Heute kann ich endlich das Bedauern von vor vielen Jahren wiedergutmachen, das ein ähnliches Desaster hinterlassen hat.

Ich habe mich vom Tod inspirieren lassen und sollte mich dementsprechend revanchieren.
Mein Körper soll das Gefäß werden, um die göttlichen Kernflammen zu schmieden, und meine Seele soll zu den Ketten werden, die die Götter in die Knie zwingen. Dies wird der ultimative Beweis für meine Theorie sein!

Jetzt bin ich unglaublich glücklich.
So lächelte ich einst, als ich zum ersten Mal einen mechanischen Vogel schuf, der in die Lüfte fliegen konnte. So zitterten einst meine Hände, als ich durch Bebrütung ein neues Leben entwickelte.

Meine zukünftigen Studenten, wenn ihr diese Worte seht, beweist das, dass mein Vorhaben in der Endphase gescheitert ist und ich vor der Morgendämmerung gefallen bin.
Nutzt meine Ergebnisse in vollem Umfang, und macht mich zum Gegenstand eurer Forschung! Tretet über meinen Körper und nehmt die Fackel aus meinen Händen. Benutzt mich als Brennholz, um die Flammen zu entfachen, die die Wahrheit ans Licht bringen werden!
Habt keine Angst vor Blasphemie ...
Es ist bereits eine Sünde, die Götter zu übertreffen, was also, wenn man selbst ein Gott wird?“

– Ein Echo aus Anaxas Erinnerungen nach dem Fall des Hains, das verschwunden ist, weil niemand es entdeckt hat