Schwarzer Schwan

Eine Wahrerin der Erinnerungen aus dem Garten des Gedächtnisses. Eine geheimnisvolle und elegante Wahrsagerin.
Sie lächelt oft freundlich und hört den Worten anderer geduldig zu, nutzt dies aber nur als Vorwand, um in ihre „Erinnerungen“ einzudringen und alles über sie herauszufinden.
Eine Frau, die leidenschaftlich gerne einzigartige Erinnerungen sammelt, doch was sie dazu treibt, ist schwer zu ergründen.

„Sie ist ein ziemlich ungewöhnliches Kind, das spürte ich schon am Tag ihrer Geburt. Die Natur selbst schien ihre Ankunft zu feiern: Die Vögel zwitscherten, der Mond und die Sonne erschienen gemeinsam am Himmel. Die Karten in meiner Hand deuteten auf das Erscheinen einer Seele voller Nostalgie hin. Von klein auf war sie fasziniert von der Vergangenheit. Sie grübelte über unsere Ursprünge, unsere Schöpfer und sogar über den Anfang der Welt nach. Selbst die größten Gelehrten zerbrachen sich über ihre Fragen den Kopf. Natürlich machten sich einige Kinder über sie lustig, weil sie so schwierige Fragen stellte, dabei sind sie doch so wichtig! Das Leben gleicht einem verworrenen Labyrinth, in dem wir uns nur auf unsere Erinnerungen stützen können.“
– Erinnerungen einer Mutter

Ihre Mutter litt an Gedächtnisschwund und kämpfte mit Erinnerungslücken, die es ihr schwer machten, ihre Familie wiederzuerkennen oder sich an die jüngsten Ereignisse zu erinnern.
Als sie die Amnesie-Diagnose erhielt, umarmte sie ihre Mutter fest und versuchte, aus deren Tagebuch vorzulesen. Die Mutter war zwar physisch anwesend, aber wo war ihr Geist?

Sie blieb an der Seite ihrer Mutter bis zum Ende ihres Lebens und sah, wie sie immer mehr verkümmerte, je verschwommener ihre Erinnerungen wurden. Wenn ihre eigenen Erinnerungen an ihre Mutter ebenfalls verschwinden würden, würde sie ihre Mutter endgültig verlieren.

„Das Leben gleicht einem verworrenen Labyrinth, in dem wir uns nur auf unsere Erinnerungen stützen können.“ Zum ersten Mal begriff sie die wahre Bedeutung dieser Worte.

„Ich wurde als Entdeckerin auf diesem Planeten geboren. Zu meinen üblichen Aufgaben gehörte es, den Lauf der Flüsse zu beobachten, die Materialien der Ziegel und Kacheln der Stadt zu untersuchen, die Neigung der Straßen zu prüfen und die Anzahl und Verteilung der Schornsteine zu dokumentieren ... Diese Tätigkeiten entsprachen der Vorstellung der Menschen, die ‚Erinnerungen‘ eines Planeten zu bewahren.“

... Diese Bemühungen reichten jedoch bei Weitem nicht aus.

Nachdem ich angefangen hatte, im Verborgenen zu arbeiten, begegnete ich dem Mädchen oft. Bei manchen Gelegenheiten tanzte das Sonnenlicht durch die Blätter, während sie unter ihnen hindurchging und schließlich um die Ecke verschwand, sobald die Straßenlaternen die Umgebung beleuchteten. An anderen Tagen folgte ihr Blick einer Brieftaube, die jeden Mittwochabend das Quartier des Oberpriesters verließ, um dann am folgenden Morgen zum Leiter der Palastwache zurückzukehren ... einem bekannten politischen Gegner des Oberpriesters. Hin und wieder beobachtete sie im Stillen, wie der Regen in die Abwasserkanäle rieselte, die vom Artilleriefeuer vom gegenüberliegenden Ufer vernarbt waren. Und manchmal durchnässten Wellen ihren Rock, während eine ältere Frau, die am Fluss ihre Wäsche wusch, vom letzten Herrscher und seinen fünf unehelichen Kindern erzählte.

... Nur wenige Menschen außer uns verstehen, dass ein Planet seine „Erinnerungen“ auf diese Weise hütet und aufbewahrt.

Ich folgte ihr, bis wir einen Felsen im Moor erreichten. Ich wusste, dass es der richtige Zeitpunkt war, sie einzuladen.

„Was siehst du?“, fragte ich in einer für sie sichtbaren Form.
Sie deutete auf eine Stelle mit Unkraut und die hinterlassenen Spuren.
„Ich sehe einen Stein, vielleicht war hier früher einmal eine Feuerstelle ... Aber es steckt bestimmt noch mehr dahinter.“
Ich nickte und half ihr, das Unkraut und den Schmutz aus den Ritzen des Steins zu entfernen.
„Das war einmal ein Denkmal“, murmelte sie und strich sanft über die Gravur auf seiner Oberfläche.
„Ja, aber die ‚Erinnerung‘ ist noch wichtiger.“

Ich erklärte ihr, dass dieser Stein früher als Feuerstelle, davor als Denkmal, als Blumenbeet und sogar als Altar gedient hatte ... Und vor all dem war er nur ein einfacher Stein im Moor gewesen.

„Welchen Preis muss ich zahlen, um diese ‚Erinnerung‘ zu sehen?“
Die Menschen werden dich nicht bemerken, wenn du nicht bereit bist, dich ihnen zu zeigen.“
„So wie die Menschen nicht glauben, dass es schwarze Schwäne gibt, bis sie einen mit eigenen Augen gesehen haben?“
„Ja, genau so ist es.“

– Erinnerungen einer EntdeckerinWahrerin der Erinnerungen

Wahrer der Erinnerungen reisen zu zahlreichen Planeten und sammeln die Erinnerungen jeder Stadt, die sie besuchen. Sie passen auf, dass sie keine Spuren hinterlassen, damit sich niemand an sie erinnert. Nur wenn sie auf einen Menschen stoßen, der sich ihren Reihen anschließen könnte, nehmen sie ihn mit in die unendlichen Weiten der Sterne.

Viele sind besessen vom Glanz der Vergangenheit und streben danach, ein Wahrer der Erinnerungen zu werden, um in den Erinnerungen anderer leben zu können. Solche Menschen verwandeln sich oft in hemmungslose Krematoren, die Erinnerungen nach Belieben verzerren. Aber sie ist anders ... Ich habe ihre Standhaftigkeit und ihren großen Respekt vor den Erinnerungen erkannt. Wie es Tradition ist, habe ich ihr drei Fragen gestellt, bevor ich sie zu einer Wahrerin der Erinnerungen machte.

„Bist du bereit, dein ganzes Leben dem Sammeln von Erinnerungen zu widmen?“
„Ja, das bin ich.“
„Bist du bereit, deine körperliche Gestalt aufzugeben und die Verwandlung zu akzeptieren?“
„Ja, das bin ich.“
„Wenn du eines Tages aufhörst zu existieren, was wirst du der Welt als Vermächtnis hinterlassen?“
„Meine Erinnerungen. Sie sind Samen der Vergangenheit und werden in der Zukunft wieder aufblühen.“

Erinnerungen gibt es in verschiedenen Formen. Manche sind unbedeutend und rührend, während andere von großer Bedeutung und Tragweite sind. Manche sind zahm und bescheiden, während andere wild und ungezügelt sind ... Als sie zur Wahrerin der Erinnerungen wurde, wurden ihre Erinnerungen friedlich und klar, wie sanfte Wellen, die endlich einen sicheren Hafen gefunden haben.
– Erinnerungen einer Wahrerin der Erinnerungen

„Was geht dir durch den Kopf?“, fragte die Wahrerin der Erinnerungen.
Als sie ihre Augen öffnete, schwirrten Bruchstücke von Erinnerungen um sie herum.
„Die Menschen glauben oft, dass sie in der Gegenwart leben und in die Zukunft blicken, aber sie erkennen nicht, dass wir uns in Wirklichkeit alle auf die Vergangenheit zubewegen.“

Standort: Penacony
Datum: ██/██/██
Gäste: ██, ██, ██ und ██
„Eine schmerzliche Erinnerung von ██. Hinter dieser üppigen Erinnerung, die voller Prahlerei und Sehnsucht ist, verbirgt sich eine unbekannte Traurigkeit, die noch jahrelang anhalten und ihren Besitzer prägen wird.“
„Eine freudige Erinnerung von ██. Diese dramatische Erinnerung ist voller strahlender Momente der Freude, Verwirrung und Komik, aber von echtem Glück ist nichts zu spüren.“
„Eine schmerzliche Erinnerung von ██. Das flüchtige Glück in dieser Erinnerung ist schön, aber von kurzer Dauer, vergleichbar mit einer fallenden Sternschnuppe. Lieber Gast, schätze diesen flüchtigen Augenblick, denn er wird schon bald wieder vergehen.“
„Eine vage Erinnerung von ██. Diese Erinnerung ist schwach, chaotisch und verwirrend, wie ein Regenschauer, der kein Ende nehmen will. Ich möchte unbedingt die Zukunft erkennen, auf die sie hinweist, ob sie nun mit Regen oder Sonnenschein gefüllt ist ...“
– Erinnerungen von Schwarzer Schwan

„Ich sah die Gestalt einer Frau, die elegant durch Bilder und Muster sprang und sich verwandelte. Nein ... ich bin nicht verrückt, ich habe ‚sie‘ tatsächlich gesehen. Ich erinnere mich an ihre sanfte Stimme und die bunten Karten in ihren Händen, die von einer besonderen Magie durchdrungen waren. Sie lud mich ein, an der Wahrsagung teilzuhaben. Sie sagte: ‚Es spielt keine Rolle, ob du Glück oder Unglück in der Zukunft sehen, verlorene Besitztümer wiederfinden oder unerwartete Gewinne erzielen willst ... Alles, was ich brauche, ist eine ehrliche Geschichte, denn die Vergangenheit und die Zukunft überschneiden sich an einem Punkt des Kreises.‘ Ich war verwirrt, aber sie strahlte eine unglaubliche Güte aus. Ich erzählte ihr unendlich viele Geschichten und sie hörte sie sich geduldig an ... Und dann habe ich dank ihrer Weissagung einen Spiegel wiedergefunden, den ein Gast des Hotels verloren hatte! Oh, du willst wissen, was ich ihr alles erzählt habe? Ach, nichts Wichtiges ... Nur ein paar alte Gerüchte ...“
– Erinnerungen eines Einwohners von Penacony

Heute reist sie als Wahrsagerin durch verschiedene Reiche und spürt Erinnerungen auf, die mit ihrem Pfad und den Äonen verwoben sind. Sie ist überzeugt, dass diese Erinnerungen so beständig sind wie Edelsteine, immun gegen die zerstörerischen Kräfte des Vergessens.

„Zahlreiche Wahrer der Erinnerungen sind nach Penacony gereist, aber sie mussten feststellen, dass dieser Ort nur ein Trugbild ist, eine Spiegelung auf der Wasseroberfläche.“
„Aber Träume ... Sie sind eine verzerrte Form der Erinnerungen. Ich werde in ihre Tiefen eintauchen und einen schnellen Blick auf sie erhaschen, bevor die Memoschnapper und Krematoren eintreffen.“