Lingsha

Die neue Leiterin der Alchemiekommission auf der Xianzhou Luofu. Eine intelligente und schlagfertige Vidyadhara-Heilerin.
Sie hat einen ausgeprägten Geruchssinn und nutzt diesen oft, um Krankheiten zu diagnostizieren, aber auch um andere mit Aromatherapie zu beruhigen.
Sie ist geschickt im Umgang mit komplizierten sozialen Beziehungen. Auch wenn sie innerlich wütend ist, bleibt ihr Blick ruhig und gelassen.

Während Wolken dicken Rauches den Kessel einhüllen, sitzt das junge Mädchen nervös auf dem Kissen und hat seine strahlenden Augen auf den klappernden Deckel gerichtet.
Der Knall einer Explosion hallt durch den Raum und daraufhin rennt das junge Mädchen mit einem kristallklaren Kügelchen in der Hand aufgeregt ins Sprechzimmer ihrer Meisterin. Dabei ist es von oben bis unten verrußt wie eine Schriftrolle, die man zu nah an die Kerze gehalten hat.
„Meisterin Yunhua! Sieh nur, ich habe es geschafft!“

In dem überfüllten Sprechzimmer behandelt Leiterin der Alchemiekommission, Yunhua, gerade Patienten.
Da es sieht, dass seine Meisterin sich konzentrieren muss, versteckt sich das junge Mädchen gehorsam hinter der Meisterin und senkt den Kopf, um an dem medizinischen Kügelchen zu schnüffeln.
„Dieser Puls ... ist wirklich kräftig ...֧“
Das junge Mädchen hört den Verdacht ihrer Meisterin mit und nähert sich dem Patienten von der Seite, um zu schnüffeln.
„Kleine Dan Zhu, dein Geruchssinn ist unerreicht! Kannst du mir irgendetwas über den Zustand dieses Patienten verraten?“Yunhua ruft das junge Mädchen heran und sieht es ermutigend an.
„Hm ... Da ist ein schwacher Geruch nach überreifem Obst, das deutet auf eine Milzerkrankung mit übermäßigem Durst hin ...“
„Völlig richtig ... Das würde auch zu den frühen Symptomen passen. Also, welche Medikamente würdest du empfehlen?“
Das junge Mädchen hebt das Kügelchen in ihrer Hand in die Höhe und verkündet laut: „Ein halbes Revitalisierungskügelchen, bitte mit Wasser einnehmen!“
...
Nach einem langen Tag mit vielen Diagnosen und behandelten Patienten läuft das junge Mädchen Yunhua hinterher und fragt verwundert:
„Meisterin, warum bestehst du eigentlich noch immer darauf, Patienten persönlich zu sehen? All die anderen hochrangigen Heiler der Alchemiekommission verbringen ihre ganze Zeit damit, entweder sich selbst zu behandeln oder Kontakte zu wohlhabenden Händlern zu pflegen ...“
Yunhua beendet das Ordnen ihrer medizinischen Aufzeichnungen, kniet sich hin und streicht dem jungen Mädchen über den Kopf.
„Kleine Dan Zhu, hast du etwas gehört?“
„Ich habe gehört, wie Leute schlechte Dinge über dich gesagt haben ...“Das junge Mädchen lässt den Kopf sinken und sieht so aus, als würde es gleich weinen.
„Kleine Dan Zhu, was, denkst du, ist die Aufgabe eines Heilers?“ Yunhua lächelt kaum merklich und nimmt Dan Zhu auf den Arm.
„Mit Hingabe Medizin zu studieren, die Kranken zu behandeln und die Verwundeten zu retten ...“
„Wenn das der Fall ist, findest du dann nicht, dass Heiler wie ich jeden Tag hart arbeiten und ihren Pflichten richtig nachkommen sollten?“
„... Ja, Meisterin!“
Selbst als sie das warme Lächeln ihrer Meisterin sieht, verbleibt in ihrem Herzen noch der Schatten eines Zweifels.

Ihre Jahre als Schülerin unter Yunhua waren die glücklichsten und erfülltesten ihres Lebens.

Sie stöberte mit eifriger Nase durch Fläschchen mit seltsamen Kräutern und erforschte fremdartige Wesen von anderen Planeten. Der Ursprung von Mara, die wahre Essenz der Ausgeburten des Überflusses, medizinische Kügelchen, die den Ausbruch von Mara linderten ... Jedes neue Forschungsthema ließ sie tiefer in diese Faszination eintauchen und bescherte ihr eine lebenslange Besessenheit. Jeder Tag brachte neuen Fortschritt und neue Freude.

In der Zeit, in der sie sich komplett in Düften und Fantasien verlor, war die Alchemiekommission jedoch hinter den Fassaden instabil und verräterisch geworden.
Nach Dutzenden Tagen und Nächten interner Überwachung spülten die Wellen des Krieges endlich über Leiterin Yunhua hinweg.
Mit einem einzigen Befehl war sie von der Leiterin der Alchemiekommission zu einer gewöhnlichen Bürgerin geworden.

In der Tat hatte sie das Herannahen dieses seltsamen Geruchs bemerkt.
Das Geflüster der Präzeptoren, der Duft unbekannter medizinischer Kügelchen in der Alchemiekommission, die Nächte, in denen ihre Meisterin nach Erhalt einer geheimnisvollen Nachricht im Kerker der Ketten ein und aus ging ... Als sie herausfand, wie alles miteinander zusammenhing, war es bereits zu spät.
Sie bat ihre Vorgesetzten in der Alchemiekommission um Hilfe, doch die sonst so freundlichen Dienstältesten waren mittlerweile neidisch auf die Leiterin und reagierten nur mit kühlen Antworten und Warnungen.
Sie reichte einen offiziellen Einspruch ein, immer und immer wieder, doch die Antwort war stets dieselbe.
Trotzdem konnte sie einfach nicht glauben, dass die Leiterin, die sich voll und ganz dem Wohlbefinden ihrer Patienten gewidmet hatte, irgendetwas Unangemessenes tun würde.

Gerade als sie mal wieder nicht anders konnte, als sich für ihre Meisterin einzusetzen, erschien Yunhua aus dem Nichts und klopfte ihr sanft auf die Schulter.
„Dan Zhu, du musst nicht länger meine Unschuld beteuern. Ich bin müde und es macht mir nichts aus, diesen Ort zu verlassen.“
Sie eilte ihrer Meisterin nach, doch bevor sie ein weiteres Wort sagen konnte, stieg ihr ein seltsamer Geruch in die Nase ...
Der Geruch eines verschwörerischen Komplotts.

Ihr wurde schnell klar, dass es wahrscheinlich am besten war, zu verschwinden.
Mit der Hilfe der Präzeptoren verließen sie die Luofu und machten sich auf den Weg zur Zhuming. Erinnerungen flackerten vor ihren Augen auf. Sie waren so in ihre Welt aus Medizin und Forschung vertieft, dass sie gar nicht merkten, dass eine Reihe von Männern bereits ein tückisches Netz um sie gesponnen hatten.

„Wenn du nicht lernst, dich in dieser Welt zu behaupten, werden deine Ideale irgendwann unausweichlich ausgelöscht.“
Sie schwor sich, so etwas nie wieder geschehen zu lassen.
Dank Yunhuas Vermittlung war es ihr möglich, den Hohen Ältesten der Zhuming, Ardens Regia, zu treffen und sich der Scharfblick-Sekte anzuschließen, wo sie spezielle Behandlungsmethoden wie Akupunktur, Aromatherapie und Pyropathie erlernte.
Sie gewöhnte es sich ab, Geschehnisse in ihrem Umfeld auszublenden, und arbeitete mit Menschen aus allen Gesellschaftsschichten gut zusammen.

Mit der Zeit wurde ihr klar, dass jede Art von Person und jede Art von „Krankheit“ einen eigenen Geruch hatte.
Sie hatte den faulen Gestank von Neid gerochen.
Während ihrer Studien auf der Zhuming ließ sie sich nicht von dem unerklärlichen Verschwinden von Heilkräutern und den daraus folgenden Missverständnissen und unfreundlichen Reaktionen beirren. Sie vertrieb alle Zweifel und jeglichen Spott mit Räucherwerk, das kein erfahrener Alchemist jemals nachahmen konnte.
Sie hatte den übelriechenden Gestank von Verschwörung und Heuchelei gerochen.
Als sie mit Biotechnologie-Experten anderer Planeten zusammenarbeitete, entgingen ihr nicht die Indizien, durch die sie schließlich ihre üblen Machenschaften aufdeckte und ihre Pläne durchkreuzte, mit den Jüngern des Sanctus Medicus insgeheim gemeinsame Sache zu machen.
Sie hatte den üblen Gestank von Habgier gerochen.
Als sie als Heilerin in der Armee der Zhuming arbeitete, erkannte sie die enormen Vorteile der Medikamente, die in der Kaserne versteckt waren, stellte insgeheim Nachforschungen an und entlarvte die korrupten Mitglieder alle auf einen Schlag.

Die „Krankheiten“ der Menschheit konnten sich ihrer Diagnose nicht entziehen und sie war stets in der Lage, das perfekte „Räucherwerk“ herzustellen, um ihren Geruch zu beseitigen.
„Wenn ich meinen Kollegen nicht haushoch überlegen sein kann wie meine Meisterin, sollte ich mich darauf konzentrieren, die Herzen der Menschen zu erforschen und sie offen und ehrlich zu bekämpfen.“
Sie änderte ihren Namen in „Lingsha“.
Die Fluktuation zwischen Yin und Yang, die Vereinigung der Eigenschaften von Wasser und Feuer machen ihren medizinischen Namensgeber zu einem Wundermittel für jene, die in Todesgefahr schweben. Genau so wollte sie sein.

Durch ihre Anwendung von Räucherwerk verband sie gekonnt die alchemistischen Lehren der Luofu und die der Scharfblick-Sekte der Zhuming und entwickelte sich so zu einer überall in der Allianz bekannten Heilerin.

Als sie zur Leiterin der Alchemiekommission der Luofu berufen wurde, wusste sie zuerst nicht, wie sie damit umgehen sollte. Bei ihrer Ankunft auf der Luofu musste sie jedoch enttäuscht feststellen, dass es nicht besser um die Alchemiekommission stand als früher. Im Gegenteil, der interne Konflikt hatte sich sogar noch verschärft.
„Das erste Problem liegt darin, dass die Leute selbstsüchtige Interessen verfolgen und Vetternwirtschaft weit verbreitet ist. Zweitens mangelt es an professionellem Engagement. Alle streiten sich ständig und schieben die Schuld auf andere. Drittens machen unangemessene Belohnungen und Bestrafungen die Leute nervös. Viertens wird Forschung als sinnlos erachtet und Patientenbesuche werden vernachlässigt. Fünftens reißen sich die Mächtigen alles unter den Nagel, während die, die etwas verbessern wollen, den Mut verlieren. Wenn es so weitergeht, werden die Situation nur noch schlimmer ...“
Sie begegnete anderen mit einem Lächeln und machte sich während der Gespräche insgeheim ein genaues Bild davon, vor welches Problem jede Person sie stellte.

Doch die Probleme der Alchemiekommission waren nicht über Nacht erwachsen und ließen sich auch nicht über Nacht aus der Welt schaffen.
Seien es nun die erfundenen Binsenweisheiten der Präzeptoren, der fortwährende Lug und Trug der Heiler der Alchemiekommission oder die Konflikte mit anderen Abteilungen. Sie würde große Mengen an Räucherwerk brauchen, um nicht die Fassung zu verlieren.
„Nur kein Stress und keine Eile, treib’s auf der Arbeit nicht zu arg. Wer soll mich ersetzen, wenn ich nicht mehr kann und mag?“
Beim Durchlesen der Berichte, die sie verzagen ließen, lächelte sie bitter und massierte sich ihre Schläfen.

Vor ihrem Fenster rauschten unnachgiebig die Wellen.
Während sie dem Auf und Ab des Ozeans zusah, dachte sie darüber nach, dass Yunhua ihre Tage damals auch so verbracht haben musste.
„Meisterin, es ist nicht einfach, angesichts all der menschlichen Komplikationen weiter zu üben und zu lernen.“
Das junge Mädchen, dessen Gesicht durch die Explosion des Elixiertiegels schwarz war, ist nun eine erwachsene Frau, die in Arbeit und kleinlichen Streitigkeiten versinkt.