Lynx

Die jüngste Tochter der Familie Landau und eine der führenden Erforscher von Belobogs extremen Umgebungen.
Trotz ihres offensichtlichen Mangels an Motivation ist sie sehr handlungsfähig. Sie scheint sich nur distanziert zu geben, um unnötige Geselligkeit zu vermeiden.
Zur Frage, was sie als unnötige Geselligkeit ansieht: „Ähm, ist nicht jede Geselligkeit unnötig?“

Die Landschaft der Schneewüste steht im starken Gegensatz zu Belobogs Alltag – sie ist so weit entfernt, dass ein Mädchen nur davon träumen kann, sie mit eigenen Augen zu sehen.

In ihrem täglichen Studium und Leben las sie in Geschichtsbüchern immer wieder, wie riesig und bunt die Welt vor dem Ewigen Frost war. Als Lynx den Lehrer jedoch nach genaueren Einzelheiten fragte, sagte dieser mit einer hilflosen Geste: „Leider nur in den Tiefen der Schneewüste ...“

Im Geografieunterricht hörte Lynx oft dem Lehrer zu, wie er ein seltsames Himmelsphänomen namens „Polarlicht“ beschrieb, sie stellte sich vor, wie fleckig und unvorhersehbar die Lichtbänder sein müssen. Als Lynx den Lehrer aber fragte, warum man das Polarlicht in der Stadt nicht beobachten könne, sagte dieser mit einer hilflosen Geste: „Leider nur in den Tiefen der Schneewüste ...“

Das Mädchen war niemals in der Lage, die Antworten auf ihre brennenden Fragen über diesen weit entfernten Ort, die Schneewüste zu bekommen.

Aber wenn der Lehrer tatsächlich recht hatte – wenn die Antwort auf alle ihre Fragen in der Schneewüste verborgen lag ...

Würde sie dann nicht alle Antworten erhalten, wenn sie die Schneewüste mit eigenen Augen zu sehen bekäme?

„Deshalb möchte ich ... die Tiefen der Schneewüste erkunden!“
„Häh?“
„Häh?“

„Lynx, du weißt doch, wie eisig kalt die Gebiete außerhalb von Belobog sind ...“

„Das ist mir egal, Gepard. Ich nehme dicke Kleidung und einen Heizofen mit!“

„Aber die Schneewüste ist immer noch sehr gefährlich – nicht nur das extreme Wetter, sondern auch allerlei gruselige Monster ...“

„Kein Problem. Ich war schon ein paar Mal mit Patrouillen unterwegs und komme damit zurecht.“

„Du ... warst mit Patrouillen unterwegs?!“

„Äh ...“

„Serval, sag doch auch mal was, um Lynx davon abzuhalten.“

„Was? Lynx kann doch tun und lassen, was sie will. Als ihre Schwester kann ich echt froh sein, dass Lynxy so unabhängig ist.“

„Hehe, danke schön, Serval!“

„Allerdings stimmt auch, was Gepard sagt: Du musst auf deine Sicherheit achten, wenn du alleine auf Erkundungstour gehst, und spiel nicht die Heldin! Komm mit, gepackt hast du ja schon.“

„Was ist das hier?“

„Das ist die Spitzhacke vom Modell Spitzenreiter, von der du letzten Monat gesagt hast, dass du sie haben wolltest. Aber ich habe sie ein wenig modifiziert, um sicherzustellen, dass sie gut funktioniert. Das hier ist das neue Snowboard der Pfadfinder-Serie, das hat dein Bruder für dich gekauft. Ah, und diese Wasserflasche, die jährliche limitierte Edition des Hotels Goethe, der Schultergurt wurde von mir auf eine passende Größe geändert, und ich habe einige Dekorationen hinzugefügt. Diese Energieriegel und Dosen werden dir neue Energie spenden ...“

„Hey! Habe ich dir nicht gesagt, ihr nichts vom Snowboard zu erzählen ...“

„Ah, warum redest du so etwas in diesem Zeitpunkt?
Kurz gesagt, Lynxy – nutze diese Sachen, pass gut auf dich auf da draußen ... Verstehst du? Versprich mir das!“

„Ja, versprochen!“

„Lynxy, bist du da?“ Vom Handy des Mädchens ertönt ein klarer Benachrichtigungston.

Lynx sieht, dass die Nachricht von einem bekannten Kontakt kommt, also hat sie es nicht eilig zu antworten. Stattdessen haucht sie einfach auf das Kameraobjektiv und wischt es wahllos mit ihren eisigen Handschuhen ab.

Das Objektiv ist in gutem Zustand. Sie hält ihr Handy hoch und im Sucherrahmen ist der außergewöhnlich klare Nachthimmel außerhalb der Mauer von Belobog zu sehen – kein Wind, kein Schnee, keine Wolken, nur ein klarer Himmel, der wie ein schwarzer Samtvorhang mit strahlenden Sternen bedeckt ist.

*klick* Und dann auf „Senden“.

Das Signal scheint nicht sehr gut zu sein. Die Luft stagniert in der Höhe. Die Nacht im Schnee ist außergewöhnlich still. Nicht lange danach ertönt ein weiterer Ton – es handelt sich um das Manuskript, das das Mädchen gerade fertiggestellt hat: Berg, Nacht, Sternenhimmel.

Lynx lächelt, richtet die Kamera auf das Zelt, das sich im Wind wie atmend hebt und senkt, und drückt erneut den Auslöser. *klick* „Senden“.

*klingel* Vom anderen Ende kommt eine schnelle Antwort. Diesmal scheint es die Werkbank des Mädchens zu sein, auf der im trüben Licht Manuskripte und Pinsel verstreut lagen.

*klick* Campingstühle und Lynx’ Lieblingsdecke.
*klingel* Ein Glas lauwarme Milch.

*klick* Dampfend heißer Schwarztee.
*klingel* Eine schmiedeeiserne Schreibtischlampe und das Lieblingsfotoalbum des Mädchens.

*klick* Ein warmer Schlafsack.
*klingel* Ein unordentliches Bett.

*klick* Von der Spitze des Hügels sieht man die goldenen Wellen, welche man auch von Belobog aus sehen kann.
*klingel* Die schimmernden Straßen der Stadt vom Fenster der Wohnung aus.

*klick*
Das letzte Foto ist das helle Polarlicht, das plötzlich erschienen ist und über den Himmel tanzt.
*klingel*
Es folgt ein süßes Emoji – Lynx wusste, dass das Mädchen es senden würde, wenn sie neidisch ist.

Deshalb wählt sie ihre Antwort sorgfältig aus der Galerie aus ...

„Genug für heute.“ Sie verstehen sich, ohne etwas sagen zu müssen.

„Lynx, warum hast du dich dafür entschieden, an der Polarexpedition teilzunehmen?“

Lynx’ enge Freundin stellte ihr einmal eine solche Frage. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie keine Ahnung und tat die scherzhafte Frage hastig ab.

Allerdings dachte Lynx danach unzählige Male über die Antwort auf diese Frage nach: Könnte es sein, dass sie sich für die prähistorische Zivilisation von Belobog und Naturgeografie interessierte? Oder wollte sie nur der unvermeidlichen Geselligkeit der Winterstadt entfliehen?

Allerdings kann sie vielleicht nicht einmal selbst erkennen: Was Lynx betrifft, so findet sie die Familienangelegenheiten der Landaus eigentlich sehr einfach ...

„Wenn du es willst, dann mach es einfach.“

Ihre ältere Schwester war von ihren Hobbys besessen, also wurde sie Besitzerin der Werkstatt und Rockmusikerin. Ihr älterer Bruder meldete sich als Freiwilliger zur Verteidigung Belobogs, schloss sich den Silbermähnen-Wachen an und ist heute ein bekannter Offizier.

Deshalb verkündete Lynx plötzlich vor ihrer Familie: „Ich möchte die Tiefen der Schneewüste erkunden!“ Es war ganz einfach.

Darf sie nicht gehen, nur weil es dort kalt ist? Dann bereitet sie sich eben gut auf die Kälte vor.
Kann sie nicht gehen, nur weil es gefährlich ist? Dann legt sie eben ein Überlebenstraining ab.
Kann sie nicht gehen, nur weil es niemand zuvor getan hat? Kein Problem, dann wird Lynx eben die Erste sein.

„Schließlich ist es doch einfach, vom Ausgangspunkt zum Ziel zu gelangen?“