Verfügbar auf Figurenstufe 40
Sie war von Kopf bis Fuß in Schwarz gehüllt, ein Trauergewand für das Begräbnis ihrer Eltern. Ihre Haare waren, wie sonst auch, ordentlich hochgebunden, ihr Gesicht hinter tintenschwarzen Strähnen verborgen.
Sie weinte keine einzige Träne.
Als die Nacht hereinbrach, formten die Datenspiralen auf dem Bildschirm in ihrem Labor vielschichtige Muster. Sie verschoben sich, breiteten sich aus und bewegten sich zu der Melodie von Liedern des klassischen Theaters. Nachdem die Muster Schicht für Schicht abgetragen worden waren, offenbarte sich das Geheimnis, welches sie so minutiös konstruiert und behutsam gehütet hatte: Es waren ihre Eltern, die Augen fest verschlossen, die Gesichter reglos, als würden sie schlafen.
„Was für eine Enttäuschung. Sie haben es nicht geschafft, ihr Versprechen an Großmutter einzuhalten.“
„Und ich habe sie genauso enttäuscht. Ich konnte mein Versprechen, sie zu beschützen, nicht erfüllen.“
„Nur die Wissenschaft ... kann niemals enttäuschen“, sagte sie.
Um ihre beiden Eltern in gleichem Maße zu ehren, legte sie ihren alten Kosenamen ab und gab sich selbst einen neuen Namen, der sich aus jeweils einem Teil der Zunamen ihrer Eltern zusammensetzte.
Seitdem hatte sie die Angewohnheit, auf Fragen nach ihrer Heimat nur mit einem verwirrten Blick zu reagieren. Sie schien alles vergessen zu haben.
In diesem Zustand begann sie, rund um die Uhr an ihren Berechnungen zu arbeiten. Ihre Forschung nahm sie so vollkommen ein, dass sie vergaß, regelmäßig zu essen. Wenn sie einmal in Fahrt war, konnte sie mehrere Tage und Nächte durcharbeiten, ohne zu schlafen, bis sie schließlich irgendwann vor Erschöpfung einnickte.
Bald verließ sie sich nur noch auf das fahle Licht der Glühwürmchen, um jeden Abend ihre Forschungsergebnisse zu erfassen. Je mehr sie sich von den bestehenden Gesetzen des Lebens abwandte, desto schneller waren ihre Fortschritte. Sie ignorierte gängige Formeln völlig und begann schließlich, den Sinn des Lebens selbst zu ignorieren. Stattdessen beobachtete sie nur, beurteilte durch Berührung, hielt die Daten in ihren Händen, um sie zu spüren, und entwickelte dann neue Gesetze für die verschiedenen Spezies.
Infolgedessen gediehen die Farne und Blumen in ihrem Labor noch schneller. Sie wucherten so rasant, dass man ihr Wachstum mit bloßem Auge mitverfolgen konnte, bis sie schließlich das gesamte Labor eingenommen hatten. Zwischen den Blumen und Blättern lagen ihre Eltern, ihr Antlitz friedlich und emotionslos, geformt aus einer Ansammlung von Daten.
Als schließlich der Zeitpunkt gekommen war, an dem ihre schlummernden Eltern ihre Augen öffnen würden, hatte sie die bestehenden Gesetze der Evolution auf dem gesamten Planeten bereits fast vollständig außer Kraft gesetzt, und dennoch schritt sie weiter ihrem Ziel entgegen.
Erst als sie von ihrer Forschung aufsah und den Himmel blickte, wurde ihr bewusst, dass die Gelehrsamkeit ihren Blick erwiderte.