Glühwürmchen

Ein Mitglied der Stellaron-Jäger. Sie kämpft in ihrer mechanischen Rüstung namens „SAM“ und ihr Charakter ist von Loyalität und Entschlossenheit gekennzeichnet.
Sie wurde als Waffe gegen den Schwarm entwickelt und erfährt ein beschleunigtes Wachstum, hat aber eine tragisch verkürzte Lebenserwartung.
Sie schloss sich den Stellaron-Jägern an, um einen Weg zu finden, dem Schicksal zu trotzen.

Kaltes, künstliches Fruchtwasser füllte die transparente Inkubationskapsel, wo sie in einem reinweißen Ei schlummerte.
Als der Behälter erzitterte, trieb sie umher und begab sich instinktiv zu der kalten, weichen Außenwand. Sie presste sich dagegen und rollte sich zusammen, als könne sie so ihren Körper aufwärmen.

Sie konnte hören, wie etwas Schweres zu Boden fiel, gefolgt zum Geräusch klirrenden Metalls. Von Zeit zu Zeit waren eilige Schritte zu hören und der Inkubator begann, zu erbeben ...
„Krieger, es ist Zeit, zu erwachen ...“
„Für Ihre Majestät ...“
Ein Paar mechanischer Hände nahm sie hoch und ein grelles Licht spaltete die Welt. Sie vergaß, zu weinen.
„Spüre, wie glorreich deine Geburt ...“
„Für Ihre Majestät ...“
Sie öffnete ihre Augen, sah aber niemanden, von dem die Stimme kommen könnte.
Sie erhob sich, trat durch einen schweren Vorhang und begab sich tiefer in den Palast.
„Akzeptiere diese Ehre und dein Schicksal ...“
„Für Ihre Majestät ...“
Ihre Schritte hallten im Einklang durch den verlassenen Palast.

Sie durchquerte den weiten, einsamen Garten, vorbei an zahlreichen Inkubatoren und den Überbleibseln kolossaler Insekten ... bis sie schließlich die prachtvolle Ratskammer erreichte, wo eine Frau mit verschwommenem Gesicht auf dem Thron saß und erschöpft die Hände herabhängen ließ.

„Sieh nicht hoch.“
Jemand trat sanft flüsternd an sie heran. Dieser Jemand trug eine Kennmarke mit der Aufschrift AR-26702. Was bedeutete das?
Sie betrachtete sich selbst. AR-26710.
„Komm näher ... mein Kind ...“
Aus den Tiefen ihres Geistes drang eine ferne Stimme, die ihr Bewusstsein in einen unerklärlichen Taumel trieb.
Gehorsam trat sie an die Kaiserin heran, fiel auf die Knie und küsste ihre Fingerspitzen.

Die Hand der Kaiserin war so kalt und starr wie Eis und ließ in ihrem Taumel einen kurzen Augenblick der Verwunderung aufblitzen.
„Entfache dich für den letzten Moment, für die Zukunft von Glamoth ...“
„Für deine Kaiserin ...“

Im Laufe der Zeit gewöhnte sie sich an das Leben auf dem Schlachtfeld.
Ihre Kameraden fielen einer nach dem anderen vor ihren Augen, doch sie schritt weiterhin standhaft voran. Sie wusste, dass auch sie eines Tages ihr Ende auf dem Schlachtfeld finden würde, um den Weg zu ebnen für jene Unbeirrten, die nach ihr kamen.
Daher waren die kurzen Augenblicke der Ruhe für sie von großer Bedeutung. Sie wandte ihren Blick gen Himmel, zum Ozean der Sterne, dessen strahlende Lichter über sie hereinbrachen.

In diesem Sternenmeer fand sie eine Insel der Ruhe. Trotz der drohenden Gefahr des Entropieverlusts sehnte sie sich danach, ihre Kampfrüstung abzuwerfen und einen Blick auf die wahre Natur dieser Welt zu erhaschen.
Die Stimmen aus der Erinnerung tauchen nach und nach wieder auf.
„Allein durch die Linse zu schauen, lässt die ganze Welt anders aussehen.“
– Ihre Bezeichnung ist AR-214 und sie trägt eine „Brille“.
„Artikel 8 der Militärregeln von Glamoth: Überlebende Kämpfer müssen sich aktiv in der Basis zurückmelden.“
– Sie ist AR-1368, ein sehr strenger Charakter. An ihrer Rüstung befindet sich ein rotes Band.
„Ich hoffe, auf dem nächsten Schlachtfeld die Sterne zu sehen.“
– AR-53935, er ist ein etwas „anderer Typ“.
„Willkommen zurück, alle zusammen!“
– AR-4077, obwohl sie ihn nie getroffen hat, weiß sie, dass er nie das Schlachtfeld betritt und immer im Hintergrund bleibt.

Aus den Tiefen der sternübersäten Weite erhoben sich die riesenhaften Insekten. Die plötzliche Invasion setzte diesem kurzen Augenblick der Ruhe ein abruptes Ende.
Sie aktivierte ihre Rüstung, bereit, sich in den Kampf zu stürzen. Doch der Angriff drang mit bisher ungekannter Heftigkeit auf sie ein.
„Nein, das ist kein gewöhnlicher Angriff! Es ist der Schwarm ... der Schwarm!“
Die Stimmen auf den Kommunikationskanälen bebten, als sich immer mehr Ritter der Eisernen Kavallerie wie glänzendes Feuer in die Lüfte erhoben, um nach ihrer Zündung sogleich von der heranflutenden Dunkelheit verschlungen zu werden.
„Bleibt standhaft! Vorwärts!“

Unzählige Kämpfer der Eisernen Kavallerie fielen vor ihren Augen.
War darunter jemand, der schon einmal mit ihr gesprochen hatte? Ein Gedanke durchzuckte sie zum ersten Mal.
Also ... ist jeder von uns einzigartig?

Schließlich tat sich inmitten des Schwarms eine Öffnung auf, aus der die Schwarmmutter erschien und sich langsam näherte.
Wie ein Lichtstrahl bahnte sie sich gekonnt ihren Weg durch ihre dicht gedrängten Untertanen. Seite an Seite mit ihren eisernen Kameraden raste sie der Mundöffnung des gewaltigen Argeniten entgegen. Als die Schwarmmutter gerade im Begriff war, sie zu verschlingen, schloss sie die Augen und zündete eine Bombe mit genug Sprengkraft, um einen ganzen Planeten auszulöschen.

Ein gleißendes Licht umhüllte die Schwarmmutter und ließ nur tiefste Stille zurück.
Die gewaltige Explosion schleuderte sie fort und ließ sie wie einen Drachen, dessen Leine gerissen war, gen Boden stürzen. Vor ihren Augen flackerten flüchtige Erinnerungen auf, die sie niemals vergessen würde ...

Am Ufer des Sees, wo die Glühwürmchen tanzten, legte sie ihre Rüstung ab, um die erfrischende Brise und die Kälte der Nacht zu spüren.
Sie beobachtete die Glühwürmchen mit ihren zarten Flügeln, die sich auf ihrem Handrücken niederließen.
„... So klein, und dennoch leuchten sie heller als die Sterne bei Nacht.“

Finsternis umgab sie.
Die Überbleibsel des Schwarms und ihrer zerschmetterten Rüstung lösten sich auf, wie lautlose Schneeflocken, die durch das Universum trieben.

Als sie aus ihrem Koma erwachte, fand sie sich in einer ihr unbekannten Galaxie wieder.

Um sie herum wirbelte und tanzte leuchtender kosmischer Plankton.
Sie beobachtete die Wesen, als sie in der Ferne verschwanden. Auch das Ziel ihrer eigenen Reise war ungewiss.
„Wofür sterben wir?“
„Wofür leben wir?“
Das Konzept eines „Traums“ war ihr fern, und so starrte sie auf der Suche nach Antworten in die nicht enden wollende Dunkelheit.

...
„Und so fand die Republik Glamoth ihr Ende. Was von ihr verblieb, waren nur Gerüchte über die Eiserne Kavallerie.“
Beunruhigt stellte sie fest, dass irgendetwas von ihrer Rüstung Besitz ergriffen hatte.
„Alle Ritter der Eisernen Kavallerie wurden bereits vor der Geburt genetisch verändert. So behielt die Republik die Kontrolle über ihre mächtigste Waffe. Sie alle hatten einen angeborenen Gendefekt, der sie ab einem bestimmten Zeitpunkt in ihrem Leben rapide altern ließ, wodurch ihnen ein früher Tod gewiss war ...“
Mit dem Näherkommen der Schritte wurde auch die Stimme der Frau immer deutlicher.
„Ein vorherbestimmtes Schicksal ... So wie unseres, meinst du nicht?“
Die Kabinentür öffnete sich.
Flammen umhüllten ihren Körper, als sich die Rüstung des Geschmolzenen Ritters materialisierte.
„Wer bist du?“
Die Frau, die vor ihr stand, lächelte wie eine alte Freundin bei einem lang erwarteten Wiedersehen.
„Glaubst du an das Schicksal? Die, die in dieselbe Richtung gehen, werden irgendwann ihresgleichen finden. Hier treffen wir uns also.“

Wieder kam die Nacht, still wie eh und je. Wie so oft saß sie irgendwo hoch oben und beobachtete wortlos die blinkenden Lichter. Im Himmelshafen fuhren unzählige Schiffe ein und aus, ein elegantes Treiben, bis irgendwann die Morgendämmerung hereinbrach.

Silberwolf trat gähnend an sie heran.
„Kannst du nicht schlafen?“ Sie rückte ein Stück, um Platz zu machen.
„Ja, ich hatte so einen komischen Traum, dass Punklorde von Cyberdämonen angegriffen wurde. Also bin ich herumgelaufen und hab diese Viren mit meinem Kaugummi zugeklebt. Dann bin ich aufgewacht.“
„Ein Traum ...“
„Auf dem Weg nach Penacony?“
„Ja. Vielleicht kann ich dort ... meinen eigenen Traum finden.“
„Aber wenn jemand überhaupt nicht träumen kann, ist das Betreten der Synästhesie-Traumlandschaft schmerzhafter als der Tod.“
„Ja, ich weiß. Unter dem Gewicht des Memoria wird mein Bewusstsein zerdrückt und dann auf eigenartige Weise rekonstruiert werden. Nur so kann ich das Land der Träume betreten ... Aber der Tod macht mir keine Angst. Ich habe mich daran gewöhnt.“
„... Hmm, wie du meinst. Viel Glück dabei. Und vergiss nicht, die Express-Besatzung von mir zu grüßen.“...

Sie erreichte das Randgebiet von Asdana. Gewaltige Wellen wogten in einem Meer aus Memoria, und sie war ein einsamer Funke, den das Unwetter zu verschlingen drohte.
Mit einem schnellen Sprung tauchte sie in den Speicherbereich ein.
Heftiger Druck von allen Seiten nahm ihr die Sicht, als sie machtlos in die Tiefen des Speicherbereichs gezogen wurde.
Die in der dichten Memoriamasse verborgenen Emotionen wurden zu geisterhaften Schemen, die sie umspukten und in ihren Ohren flüsterten.
...„Entfache dich für den letzten Moment, für die Zukunft von Glamoth ...“
...„Für Ihre Majestät ...“
...„... So klein, und dennoch leuchten sie heller als die Sterne bei Nacht.“
...„Wofür sterben wir?“
...„Wofür leben wir?“
...
Sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren, doch irgendwann lichtete sich das tobende Memoria.
Sie öffnete ihre Augen und erblickte vor sich nun Penacony, eine strahlende Perle im Nebel, und ihr liefen Tränen über die Wangen ...
„Ist das ... ein Traum?“.