Tribbie

Von dem Heiligtum, das vom Orakel der Drei Schicksale gesegnet wurde, sind tausend Boten auf ihre Reise aufgebrochen.
Die Heilige Maid von Janusopolis, Tribios, eine der Erben von Chrysos, die die Kernflamme der Tore stahl, eilt für das Wohl der Menschen umher, um die Rettung über die Welt zu verkünden.
– Suche die Person, in deren Adern goldenes göttliches Blut fließt, überwinde die tiefste Dunkelheit der Welt und schreite zu einer strahlenden Zukunft voller Sterne.

„▇▇. ▇▇▇.
Es sind nun zehn Jahre vergangen, seit ich aus Janusopolis geflohen bin.
In diesen zehn Jahren haben *wir* mit unseren Schritten die Erde vermessen und unbemerkt ganz Amphoreus durchwandert.

Die Ausbreitung der Schwarzen Flut ist schlimmer als wir dachten. Von Westen nach Osten, von Süden nach Norden – nicht einmal die hoch in den Himmel schwebenden Staaten bleiben verschont ... *Wir* haben zugesehen, wie kleine Grenzländer in einer einzigen Nacht von der rasenden Schwarzen Flut verschlungen wurden, die alles Leben in Nahrung für sich verwandelte und dann noch schneller voranschritt ... Die glorreiche Vergangenheit von Amphoreus ist vorbei – überall herrschen erschütternder Zerfall, wahnsinnige Titanen, gefallene Helden und heimatlose Menschen.

Doch die Menschen, die in dem Zwist aufgehen, sehen das nicht.

Vor Kurzem hat die Schwarze Flut bereits das Inland erreicht. Dort sind die Staaten reich, gut miteinander vernetzt und florierend im Handel. Doch einige haben *unsere* Prophezeiungen als arrogante Scherze abgetan, andere nannten uns Priester des Unheils. Niemand hörte zu, niemand hielt inne ... Wenn es heißes Blut braucht, um die Menschen zu vereinen, warum sollten *wir* nicht die Ersten sein, die es vergießen?

T▇... Ich weiß, dass du dich zur Front der Schwarzen Flut aufgemacht hast, die neuesten Nachrichten zurückgebracht hast und doch von den Pfeilen der Schöpfungen der Schwarzen Flut getötet wurdest.
T▇... Ich weiß, dass du Flüchtlinge geschützt hast, aber den Hass der Adligen auf dich gezogen hast und unter dem Dolch vom Assassine dem Tod nah war.
T▇... Ich weiß, dass du verlorene Kinder begleitet hast und nur einen Schritt von einem sicheren Ort entfernt warst. Doch deine leuchtenden Haarsträhnen sind in einem Blutbad versunken. Wir können sie nie wieder flechten, nie wieder waschen.

Ein Staat nach dem anderen fiel, und die Menschen hoben ihre Köpfe aus dem endlosen Bürgerkrieg, um das wahre Gesicht einer Welt am Rande der Zerstörung zu erkennen.

Das Blut der Lämmer wird nicht umsonst vergossen. Wir haben inmitten von Dornen den ersten Weg geebnet, in der Hoffnung, dass die Nachkommenden weitergehen als *wir* ...“

– Ein Tagebucheintrag aus längst vergangenen Zeiten
Das Papier ist so dünn wie ein Flügel einer Zikade und wurde von Trianne in den Schoß einer Puppe gelegt.

„▇▇. ▇▇▇.
‚Heilige Maid, wir wollen zuhören. Zeige uns in der Apokalypse den Weg, bete für unseren Sieg im Krieg.‘ Das sagten die Könige.

Die Könige stellten *uns* wieder als Heilige Maid von Janus dar, setzten *uns* auf den Altar, schmückten *uns* mit Seide und verbargen *unser* Gesicht hinter Zeremonien.
Doch *wir* kehrten nicht in die Stadt zurück, sondern lebten in der hochgelegenen Kaiserstadt. *Wir* wollten für kranke Bauern und heimatlose Krieger beten, die Trauer der Traurigen lindern, den Verirrten den Weg weisen, den neuen Paaren Segen schenken und zusehen, wie sie am Lagerfeuer sangen.

Doch die Könige wollten nicht, dass wir zu den Menschen gingen, genauso wie damals in Janusopolis ...

Mutter, in diesem Moment verstehen *wir* zum ersten Mal wirklich deine damalige Verzweiflung und Hilflosigkeit. *Wir* glaubten einst, das Orakel würde die Könige dazu bringen, ihre Fehden beizulegen und gemeinsam nach den Erben von Chrysos zu suchen, denn nur so gäbe es eine Chance auf Rettung. Doch sie fürchteten, dass jene mit goldenem Blut ihre Macht rauben könnten. Was sie wollten, waren immer neue Kriege im Namen des Orakels. Das mühsam gewonnene Vertrauen und die erwartungsvollen Blicke der Menschen schwinden Stück für Stück.
Die Kernflamme von Janus wurde immer heißer, das goldene Orakel blickte weiterhin auf *uns* herab und drängte *uns*.

*Wir* beschlossen zu fliehen.

T▇ und Trianne öffneten das Jahrhunderttor und verabredeten sich, sich im dichten Wald zu treffen. Doch sie gerieten in einen giftigen Pfeilhagel. Trianne entkam knapp, wurde jedoch von Soldaten gefangen genommen und entfernte sich immer weiter von *uns*.
T▇ stürzte sich auf die Lanze eines Gegners und hielt den Soldaten fest, der seine Waffe zurückziehen wollte. Doch *wir* unterschätzten die Grausamkeit der Könige – selbst im Tod sollten *wir* nicht in die Hände anderer Staaten fallen.
...
Schmerzen, zehnmal schlimmer als gewöhnlich, wurden uns auferlegt. In diesem Frühling blieben die meisten von *uns* für immer in der Einöde zurück, wo die Blumen noch nicht erblüht waren.

Auf Wiedersehen, T▇.
Auf Wiedersehen, T▇.
Auf Wiedersehen, T▇.
...
Trianne, *wir* wollen noch nicht von dir Abschied nehmen. Bitte finde *uns* unbedingt ...

In dieser Nacht können *wir* diese Einöde durchqueren.“

– Ein Tagebucheintrag, den Trinnon aufbewahrt hat.
Darauf ist ein Meteorit abgebildet, der den Himmel durchbricht.

„▇▇. ▇▇▇.
Als wir Agi das erste Mal trafen, sagte sie, dass sie den Namen Tribios mochte, weil er so edel und schön klang, wie die Kleidung, die sie webte. Wir fragten sie, ob sie uns nur deshalb zurückhielt. Sie schüttelte den Kopf und sagte, dass sie vor allem die Geschichten hören wollte, die wir jeden Abend erzählten.

Damals war Agi auch noch ein Mädchen, sie hatte Angst vor der Dunkelheit und Geistern. Wenn sie dann Hunger hatte, zog sie uns heimlich in die Küche, um das übriggebliebene Brot vom Abend zu essen. Wenn wir jetzt dran denken, müssen wir einfach lachen. Die Zeit ist ein Bildhauer, und nachdem sie Cerydra und Hysilens geformt hat, hat sie nun Agi wunderschön gestaltet.

Wie wir ihr immer beigebracht haben, hat Agi niemanden enttäuscht. Die goldenen Fäden in ihren Händen ist wie ein dichtes Netz, und kein Gegner kann aus ihren Fingern entkommen.

Doch die in den Schatten lebenden Reiniger überfielen unser Team auf dem Rückweg. Die Assassinenorganisation, die dem Ältestenrat dient, würde niemals zulassen, dass die Erben von Chrysos, die in der Lage sind, die heilige Stadt Okhema zu führen, heranwachsen. Doch auch wir entschieden uns, uns selbst zu opfern, anstatt tatenlos zuzusehen, wie die jungen Helden in den Tod gingen.

Wir überstanden diese Katastrophe dank des Jahrhunderttors, doch unser Bewusstsein wurde trübe ... Das letzte Mal, als wir das Jahrhunderttor durchquerten, dachte ich, dass wir Trinnon und Tribbie nie wieder finden würden ...

Es wird schon gut, Agi. Es ist noch nicht jetzt, wir müssen nur kurz ruhen, dann geht es weiter ...
Doch unsere Schritte müssen schneller werden ...“

—– Ein Tagebucheintrag mit schwacher Schrift
Trianne erinnert sich, Trinnon schreibt und Tribbie ergänzt.

„▇▇. ▇▇▇.
Die Träume werden immer unschärfer ... Laut Hyacine liegt es daran, dass immer weniger Dinge in Erinnerung bleiben.
Aber heute träumten *wir* von vielen, vielen Wegen. Der Himmel war dunkel, wir rannten immer weiter, aber egal wie wir liefen, kamen wir einfach nicht heraus ...

„Keine Angst, der Held ist da!“ Der unglaublich starke Phainon fiel vom Himmel und vertrieb die Monster für uns.
„Flieg nach vorne.“ Der kleine lila Schmetterling pustete mit seinen Flügeln die Steine vorne weg.
„Bamm Bamm!“ Der graue kleine Waschbär ist so stark!
„Hmpf ...“ Der rote Löwe fraß die Bösewichte!

Das sind zuverlässige neue Freunde! Sie nahmen die Fackeln von den Leuten vorne und entzündeten eine Flamme nach der anderen, um die Dunkelheit zu vertreiben.
Aber die Fackeln in unseren Händen werden immer kleiner. Wir müssen uns beeilen!

– Bei diesem Gedanken wuchsen unsere Körper so sehr, dass wir den Himmel berühren konnten, ohne die Hände zu heben. Unsere Füße tauchten in das blaue Meer ein, und an unseren Fingerspitzen wuchsen grüne Blätter. Triannes Stimme war wie ein rauschender Wind, der den Sand in der Ferne aufwirbelte, und Trinnon ruhte auf einem weichen schneebedeckten Berg, während sie den Wiegenliedern von Wind und Regen lauschte!

So gingen wir weiter und weiter, bis vor uns nur noch ein einziger Weg übrig blieb –
In der Ferne war der Himmel rosafarben und die Erde schimmerte silbern. Der Westwind wehte, und überall auf dem Feld blühten Blumen. Hm? Das kommt mir bekannt vor, ist das hier auch Amphoreus? Das Wasser der Quelle am Wegesrand schmeckte so süß wie Honig und Ziegenmilch, und die Früchte an den Bäumen schienen unendlich viele zu sein! Weiter vorne stiegen Mond und Sterne auf, und darauf reiste T █! Und dort vorne waren noch T█, T█ und T█ ... Alle warteten am Ziel auf uns!

Schaut, in der Ferne empfängt uns unsere Mutter! Sie winkt uns zu und lächelt!

Sollen wir hingehen?
Ja, eines Tages werden wir kommen!
Aber unser Weg ist noch nicht zu Ende!
Also, bis morgen?
Wir sehen uns morgen!
Ja, bis morgen.“
– Ein Tagebucheintrag mit krakeliger Handschrift